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(Teil-)Erfolg gegen Twitter

Das Problem mit dem Ausforschungsantrag nach § 71 StPO

Mit dem Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz wurde 2021 neben anderen Schutzmaßnahmen auch die Möglichkeit geschaffen, dass Opfer von strafrechtlich relevanten Verunglimpfungen und Diffamierungen gewisse Ermittlungsmaßnahmen nach der StPO beantragen können. Diese bislang der Staatsanwaltschaft vorbehaltene Kompetenz sollte Betroffenen die Chance eröffnen, aktiv mit einer Privatanklage gegen Ehrverletzungen vorgehen zu können, auch wenn sie mittels anonymer E-Mailadressen oder Social-Media-Accounts erfolgen.

Das Herzstück dieser nun auch für Privatankläger:innen zur Verfügung stehenden Ermittlungsmaßnahmen ist der sogenannte Ausforschungsantrag nach § 71 Abs 1StPO:

Zur Ausforschung des Beschuldigten einer Straftat wegen übler Nachrede (§ 111 StGB), Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB) oder Beleidigung (§ 115 StGB), die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurden, kann das Opfer bei Gericht (§ 31 Abs. 1 Z 6) einen Antrag auf Anordnungen nach § 135 Abs. 1a oder Abs. 2 Z 2 stellen, der den Erfordernissen eines Beweisantrags (§ 55) zu entsprechen hat. Das Opfer hat die Berechtigung zur Antragstellung, soweit sie nicht offensichtlich ist, in der Begründung darzulegen.

Wird beispielsweise eine Person via Instagram beschimpft oder in anderer Form verunglimpft, kann ein Ausforschungsantrag eingebracht werden, um herauszufinden, wer hinter dem Instagram-Account steht. Das zuständige Landesgericht fordert bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 71 StPO den Betreiber der jeweiligen Website – im konkreten Beispielfall meta (Eigentümerin von Instagram) dazu auf, die Daten des:der User:in herauszugeben. Nach Auskunftserteilung kann das Opfer sodann Privatanklage gegen den:die Täter:in einbringen und sich dadurch effektiv gegen Hass-im-Netz zur Wehr setzen.

Wie aber bereits an dem skizierten Beispiel ersichtlich ist, bedarf es einer Zusammenarbeit mit den jeweiligen Websitebetreiber:innen. Nur wenn sichbeispielsweise meta, Twitter (nunmehr X) oder Google dem Auftrag auf Auskunftserteilung durch das zuständige Landesgericht beugt, können sich Opfer von OnlineHass-Postings auch tatsächlich straf- bzw. medienrechtlich zur Wehr setzen.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Social-Media-Unternehmen sehr unterschiedlich auf diesbezügliche Auskunftsersuchen reagieren und es an effektiven Mitteln fehlt, um diese gerichtlich angeordneten Maßnahmen auch tatsächlich gegen die im Ausland ansässigen Unternehmen durchzusetzen.

Nach Auskunft des Landesgerichts für Strafsachen Wien ergreift insbesondereTwitter in jedem Fall alle zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe, um die Auskunft zu verweigern. Doch selbst nach Abweisung aller Rechtsmittel wird die Auskunft im Regelfall weiter verweigert. Aufgrund fehlender Möglichkeiten diese gerichtliche Anordnung auch im Ausland durchzusetzen, wird das Verfahren in vielen Fällen durch diese Verweigerung seitens Twitter faktisch (erfolglos) beendet.

In einem Fall konnten wir aber Twitter erfolgreich dazu verpflichten, die User-Daten eines Accounts herauszugeben. Das Oberlandesgericht Wien wies die diesbezügliche Beschwerde von Twitter ab, das Social-Media-Unternehmen leistete daraufhin tatsächlich dem Auskunftsersuchen Folge und gab die User-Daten derTwitter-Userin bekannt. In weiterer Folge konnten wir die Täterin erfolgreich abmahnen und für unseren Mandanten einen Unterlassungsvergleich durchsetzen.

In einigen anderen Fällen hat sich aber leider die Erfahrung des Landesgerichts für Strafsachen Wien auch bei uns bestätigt. Trotz klarer Rechtslage und eindeutiger ehrverletzender Postings verweigert Twitter die Zusammenarbeit, verschleppt die Ausforschungsverfahren und gibt die beantragten Informationen (User-Daten) nicht Preis. Die Opfer, die oft und massiv diffamieret und beleidigt werden, schauen weiterhin durch die Finger, ihnen wird jegliche Möglichkeit genommen um sich rechtlich gegen die Verfasser:innen der Hass-Postings zu wehren.

Es ist sowohl aus Sicht der Betroffenen als auch aus rechtsstaatlicher Perspektive vollkommen inakzeptabel, dass sich Unternehmen aufgrund ihres Sitzes im Auslandihrer (straf-)rechtlichen Verantwortung entziehen und die gesetzlich vorgeschriebene Zusammenarbeit verweigern können. Die Politik hat zwar bereits mit der Schaffung der Zentralen Abfragestelle für Social Media und Online-Service-Provider (ZASP)darauf reagiert und konnte dadurch eine gesteigerte Kooperation mit Meta, Googleund Microsoft erreichen. Viele Social-Media-Unternehmen nutzen jedoch weiterhin die fehlende Möglichkeit der (zwangsweisen) Rechtsdurchsetzung diesbezüglicher Auskunftsersuchen um solche Verfahren zu torpedieren.

Entsprechende Auskunftsersuchen müssen daher letztlich über die Staatsgrenzen hinaus durchsetzbar sein, damit ein effektiver Rechtsschutz gegen Hass-im-Netz gewährleistet wird.

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