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Buchbeitrag in „Praktischer Journalismus“.

Darf ich das so schreiben?

Das Buch „Praktischer Journalismus. Ein Lehrbuch für den Berufseinstieg und alle, die wissen wollen, wie Medien arbeiten“ ist Ende Juli 2024 erschienen. Der Sammelband wurde herausgegeben von Ingrid Brodnig, Digitalexpertin und Kolumnistin bei Falter, Profil und Standard, sowie Falter-Chefredakteur Florian Klenk, ORF-Chefredakteurin Gabi Walder-Pammersberger und ZiB 2-Moderator Armin Wolf. Darüber hinaus haben rund 60 führende Persönlichkeiten der Branche zu den Themen journalistische Grundlagen, Ressorts und Darstellungsformen beigetragen.

Die Präsentation des Buches wird am Montag, dem 14. Oktober um 18:30 Uhr im Audimax der Uni Wien stattfinden. Der Eintritt ist frei.

Einen wichtigen rechtlichen Überblick zum Medien- und Persönlichkeitsschutzrecht liefert Maria Windhager in ihrem Kapitel, welches mit Genehmigung des Falter Verlags hier veröffentlicht wird:

 

Darf ich das so schreiben?

Das Medienrecht regelt die private und öffentliche Kommunikation. Die einschlägigen Bestimmungen finden sich im öffentlichen Recht, im Strafrecht und im Zivilrecht, es handelt sich also um eine sogenannte „Querschnittsmaterie“ [1].

Die Kommunikationsfreiheit ist ein Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Öffentliche Kommunikation ist eine Voraussetzung für die Bildung einer öffentlichen Meinung und braucht Medien, die besonderen Grundrechtsschutz und Privilegien genießen, weil sie die individuelle Informationsfreiheit sicherstellen. Medien (Printmedien, Rundfunk, elektronische Medien) informieren über das Tages- und Weltgeschehen, geben unterschiedlichen Meinungen Raum und erfüllen demokratische Kontrollaufgaben. Sie berichten als „public watchdog[2] kritisch über Missstände und nehmen damit eine unverzichtbare öffentliche Aufgabe wahr. In den Gewährleistungsbereich der Medienfreiheit fallen daher auch die Recherchefreiheit und das Redaktionsgeheimnis.

Die Meinungsäußerungs- Informations-, Presse- und Rundfunkfreiheit darf nur im Einzelfall und nach sorgfältiger Abwägung eingeschränkt werden. Daraus ergibt sich automatisch ein Spannungsfeld. Der Konflikt zwischen der Meinungsfreiheit und dem Schutz von Persönlichkeitsrechten hat sich durch die Kommerzialisierung, Boulevardisierung und Digitalisierung (Stichwort: Hass im Netz) enorm beschleunigt und verschärft. Es stehen sich dabei im Wesentlichen gleichgeordnete Grundrechte gegenüber, wobei keines unbedingten Vorrang beanspruchen kann. Die Gerichte haben einen enormen Ermessenspielraum, was in der Praxis den Ausgang von Gerichtsverfahren schwer vorhersehbar macht.

Verfassungsrechtliche Grundlagen

In Österreich wird das Grundrecht der Medienfreiheit durch Art 13 Staatsgrundgesetz (StGG), den Beschluss der provisorischen Nationalversammlung vom 30.10.1918 und insbesondere Art 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützt. Die EMRK hat Art 13 StGG weitgehend überlagert.[3]

Nach Art 10 Abs 2 EMRK kann die Ausübung der in Abs 1 normierten Rechte aber durch Gesetze, Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden.

Mediengesetz (MedienG)

Das im Jahr 1981 beschlossene MedienG regelt die Rechte und Pflichten aller „Medien“, unabhängig von der eingesetzten Verbreitungstechnik (Printmedien, Rundfunk, Online-Medien, Videobänder etc.). Im Hinblick auf den Rundfunk (Fernsehen und Radio) ist aber zu beachten, dass die Rechtslage dieser Medien noch zusätzlich durch die Bestimmungen des Rundfunkrechts, das hier nicht näher ausgeführt wird, ausgestaltet wird.[4]

Begriffsbestimmungen

Die zentralen Begriffsbestimmungen finden sich in § 1 Abs 1 MedienG: Ein Medium ist ein Mittel zur Verbreitung von Inhalten in Wort, Schrift, Ton oder Bild an einen größeren Personenkreis. Dazu zählt jedes Massenmedium, welches sich an einen größeren Personenkreis richtet. Individualkommunikation (E-Mail, Direktnachricht etc.) zählt nicht darunter.

Erscheint ein Medienwerk wenigstens viermal im Kalenderjahr, handelt es sich um ein periodisches Medium. Erfolgt dies auf elektronischem Weg, handelt es sich um ein elektronisches periodisches Medium, ebenso wenn es ausgestrahlt (Rundfunk) oder abrufbar (Website) gehalten wird.

Medieninhaber:in ist diejenige (juristische oder natürliche) Person, die die inhaltliche Gestaltung besorgt und für die darin enthaltenen Inhalte (letzt-)verantwortlich ist. Sie haftet für rechtswidrige Inhalte nach dem Mediengesetz (§§ 6 ff MedienG).

Davon zu unterscheiden ist der/die Herausgeber:in, der/die bei periodischen Medien in leitender Funktion die grundlegende Richtung des Mediums bestimmt.[5]

Ordnungsvorschriften
  • 24 MedienG regelt die Impressumspflicht. Betroffene müssen wissen, gegen wen sie ihre rechtlichen Ansprüche richten können. In periodischen Medien muss gemäß § 25 MedienG zudem auch eine Offenlegung erfolgen, die die Eigentums- und Einflussverhältnisse transparent machen soll.
Redaktionsgeheimnis

(Massen-)Medien sind auf vertrauliche Informationen angewiesen, um ihren Kontrollaufgaben nachzukommen. Informant:innen („whistleblower“), die Missstände aufdecken, müssen mit Sanktionen rechnen und brauchen daher die Zusicherung der Vertraulichkeit, ansonsten würden diese Informationsquellen versiegen.

In § 31 MedienG wird das Redaktionsgeheimnis als publizistisches Berufsgeheimnis auch auf einfachgesetzlicher Ebene geschützt.[6] Medieninhaber:in, Herausgeber:in und Mitarbeiter:innen haben vor Gerichten und Verwaltungsbehörden ein Aussageverweigerungsrecht. Dies umfasst etwa Informant:innen, aber auch andere Informationen, welche die Journalist:innen im Rahmen ihrer Tätigkeit erhalten haben.

Das Recht darf nicht umgangen werden, etwa durch Telefonüberwachung oder Sicherstellung/Beschlagnahme,[7] wie etwa im Jahr 2023 als die Staatsanwaltschaft Klagenfurt u.a. das Handy und den Computer des Kärntner Investigativjournalisten Franz Miklautz[8] wegen eines vermeintlichen Beitrages zur Verletzung des Amtsgeheimnisses (§ 310 StGB) und des Datenschutzgesetzes ohne dringenden Tatverdacht sicherstellte. Der Fall machte besonders deutlich, wie schnell die Pressefreiheit unter Druck geraten kann.

Persönlichkeitsschutzrecht

Die Persönlichkeitsrechte sind nur teilweise verfassungsrechtlich abgesichert, so der Schutz des Privat- und Familienlebens durch 8 EMRK oder das Briefgeheimnis durch Art 10 StGG.

Der Persönlichkeitsschutz wird in Österreich durch einfachgesetzliche Regelungen in ganz unterschiedlichen Rechtsgebieten sichergestellt. Teilweise gelten diese Bestimmungen auch für juristische Personen.

Strafrechtlicher Persönlichkeitsschutz

Der strafrechtliche Persönlichkeitsschutz umfasst nur natürliche und keine juristischen Personen. Ansprüche können mit einer Privatanklage vor den Strafgerichten durchgesetzt werden und führen zu einer Verurteilung der äußernden Person (Freiheitsstrafe/Geldstrafe).

  • 111 StGB – Üble Nachrede

Diese Bestimmung schützt davor, in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt zu werden,[9] es sei denn für den Charakter- oder Verhaltensvorwurf kann der Wahrheitsbeweis oder der journalistische Sorgfaltsbeweis erbracht werden.

Der journalistische Sorgfaltsbeweis gilt dann als erbracht, wenn ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung besteht und die verantwortliche Person davon ausgehen durfte, dass die aufgestellte Behauptung wahr ist.[10] Die praktische Bedeutung dieser Verteidigungsmöglichkeit ist sehr gering, da eine gut recherchierte Äußerung meist auch wahr ist.

Direktmessages oder Äußerungen, die nicht für Dritte wahrnehmbar sind, fallen nicht darunter.

  • 115 StGB – Beleidigung

Dieser Tatbestand wird durch Beschimpfung, Verspottung oder körperliche Misshandlung, die keine Körperverletzung zur Folge hat, erfüllt.[11] Neben den beiden Betroffenen muss die Beleidigung für mindestens drei Unbeteiligte wahrnehmbar sein.

  • 117 StGB – Berufs- und gruppenbezogene Ehrdelikte

Üble Nachrede und Beleidigung können nur durch die verletzte Person eingeklagt werden und werden nicht von Amts wegen verfolgt (Privatanklagedelikte). Die betroffene Person tritt in diesen Fällen anstelle der Staatsanwaltschaft als Anklägerin auf. Ausnahmen zu diesem Grundsatz sind in § 117 StGB aufgelistet: Erfolgen sie gegenüber einer in § 117 StGB aufgelistete Personen, ist seitens der Staatsanwaltschaft von Amts wegen zu ermitteln, aber nur mit Ermächtigung der betroffenen Person.

Der Ausnahmetatbestand umfasst natürliche und juristische Personen: Bundespräsident, Parlament, Bundesheer, Beamte und Seelsorger während der Ausübung ihres Dienstes etc.

Von Amts wegen sind auch gewisse Formen von Beleidigungen zu verfolgen, wenn sie sich auf besonders verpönte Diskriminierungsmerkmale beziehen, wie insbesondere Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Abstammung/Herkunft, Behinderung, Alter oder sexuellen Ausrichtung.

  • 113 StGB – Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung.

Umfasst nur den tadelnden Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung. Kein Vorwurf ist eine sachliche Mitteilung etwa nur über die Vertrauenswürdigkeit einer Person, in der auch auf deren erlittene Vorstrafen Bezug genommen wird. Zudem fallen nur wahre Vorwürfe darunter, unwahre stellen allenfalls eine Üble Nachrede dar.

  • 152 StGB – Kreditschädigung

Diese Bestimmung sanktioniert unrichtige Tatsachenbehauptungen, durch welche das berufliche Fortkommen geschädigt wird. Dabei muss der Vorsatz auf der Unrichtigkeit und auf der Schädigung liegen, was selten nachweisbar ist.

Die medienrechtlichen Entschädigungsbestimmungen sind in §§ 6 ff MedienG in Abs 1 geregelt, in Abs 2 und 3 sind die jeweiligen Haftungsausschlussgründe angeführt. Es handelt sich um zivilrechtliche Ansprüche, die jedoch im Strafverfahren durchzusetzen sind. (Nur) die betroffene natürliche Person hat einen Anspruch auf Entschädigung gegen den:die Medieninhaber:in (nicht gegenüber dem:der Journalist:in). Das MedienG sieht eine Entschädigung für die mit Ehrangriffen verbundene „Kränkung“ vor. Der Anspruch muss binnen sechs Monaten ab erstmaliger Abrufbarkeit geltend gemachte werden (in Ausnahmefällen binnen einem Jahr).

  • 6 MedienG – Üble Nachrede, Beschimpfung, Verspottung, Verleumdung

Wird in einem Medium der objektive Tatbestand der Üblen Nachrede, der Beschimpfung, der Verspottung oder der Verleumdung erfüllt (es bedarf keines Vorsatzes), muss der Medieninhaber für die erlittene persönliche Beeinträchtigung eine Entschädigung bezahlen.

  • 7 MedienG – Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches

Diese Bestimmung schützt vor der medialen Darstellung des höchstpersönlichen Lebensbereichs (Familie, Gesundheit, Sexualleben etc.),[12] wenn diese geeignet ist die Person in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Die Bloßstellung kann auch durch unerwünschtes Mitleid erfolgen.[13]

  • 7a MedienG – Schutz vor Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen

Hier geht es um die Absicherung eines ausreichenden Anonymitätsschutzes der von der Kriminal- und Gerichtssaalberichterstattung betroffenen Personen, um einen „Medienpranger“ zu verhindern.[14] Eine identifizierende Kriminalberichterstattung ist daher grundsätzlich nur dann zulässig, wenn es für eine solche wegen der Bedeutung der Tat oder wegen der in das Geschehen verwickelten Personen oder aus einem anderen Grund überwiegende Informationsinteressen gibt, die sich auch auf die Identität von Opfer und/oder Verurteilten bzw. Verdächtigen beziehen.

Liegt ein überwiegendes Veröffentlichungsinteresse am Bekanntwerden der Identität vor, kann die mediale Preisgabe ausnahmsweise gerechtfertigt sein.

Identifizierbarkeit ist anzunehmen, wenn die Berichterstattung dazu führt, dass die betroffene Person einem nicht bereits unmittelbar informierten (‚größeren‘) Personenkreis[15] bekannt wird.

In der Praxis ist insbesondere der Ausschlussgrund des Einverständnisses des Betroffenen iSd § 7a Abs 3 Z 3 MedienG zu beachten: Der Anspruch entfällt nicht nur nach einer wirksamen Zustimmung zur identifizierenden Berichterstattung, sondern auch dann, wenn die Veröffentlichung auf einer Mitteilung des Betroffenen gegenüber dem Medium beruht.[16]

Seit 2015 sind auch Auskunftspersonen vor einem Untersuchungsausschuss von § 7a MedienG umfasst, um auch diese Personengruppe davor zu schützen, nur aufgrund ihrer Funktion als Auskunftspersonen öffentlich an den Pranger gestellt zu werden. Die Befragung einer Person in einem Ausschuss führt alleine noch nicht dazu, dass sie zu einer Person des öffentlichen Lebens wird.[17]

Durch das Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz sind seit 2021 auch Zeug:innen und Angehörige von Tatverdächtigen, Verurteilen und Opfern von § 7a MedienG umfasst, da regelmäßig auch Angehörige im Zuge der Berichterstattung über Straftaten öffentlich bloßgestellt werden.[18] Der Schutzumfang ist jedoch enger und umfasst nur Veröffentlichungen von Namen oder Bildern, nicht die Veröffentlichung von anderen Angaben, die eine Identifizierung ermöglichen.

  • 7b MedienG – Schutz der Unschuldsvermutung

Die Unschuldsvermutung ist verfassungsrechtlich in Art 6 Abs 2 EMRK abgesichert. Einfachgesetzlich wird sie zusätzlich in § 7b MedienG geregelt: Bis zum gesetzlichen Schuldnachweis ist von der Unschuld einer angeklagten oder bloß tatverdächtigen Person auszugehen ist.

Ein Verstoß liegt vor, wenn eine bestimmte Person in einem Medium mit einer Straftat in Zusammenhang gebracht und als Täter:in hingestellt wird. Ob im konkreten Fall die Unschuldsvermutung verletzt wird, hängt jedenfalls nicht von der Verwendung einer Leerformel wie „Es gilt die Unschuldsvermutung“ oder dem Gebrauch des Konjunktivs ab.[19] Es ist auf die gesamte Berichterstattung abzustellen.

  • 7c MedienG – Schutz vor verbotener Veröffentlichung

Diese Bestimmung dient dem Schutz vor Missbrauch von Ermittlungsergebnissen. Verboten ist das Veröffentlichen des Inhalts von besonderen Ermittlungsergebnissen (Telefonüberwachung, „Lauschangriff“ etc.).[20]

  • § 9 ff MedienG – Gegendarstellungsrecht

Das Gegendarstellungsrecht trägt den Grundsatz, dass auch die andere Seite (Betroffene) zu hören ist. Sinn und Zweck davon ist eine möglichst ausgewogene und inhaltlich korrekte Medienberichterstattung zu garantieren.

Voraussetzung ist, dass eine unrichtige Tatsachenmitteilung in einem periodischen Medium verbreitet wird. Die betroffene Person kann zunächst außergerichtlich und bei nicht frist- und formgerechter Veröffentlichung auch gerichtlich begehren, dass die unrichtige oder irreführend unvollständige Tatsachenmitteilung richtiggestellt wird.

Zivilrechtlicher Persönlichkeitsschutz

Die zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechte dienen dem Schutz natürlicher Personen und gelten zum Teil auch für juristische Personen (Ehre, Kredit, Namensrecht). Sie können mit einer Klage vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden. Es kann Unterlassung (auch in Form einer einstweiligen Verfügung), Widerruf und bei schuldhafter Verletzung auch Schadenersatz begehrt werden. Die wichtigsten Bestimmungen:

  • 16 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Es handelt sich um die Kernbestimmung des Persönlichkeitsschutzes, die sehr allgemein formuliert ist und als Auffangtatbestand für jene Äußerungen dient, die von keiner Sonderbestimmung umfasst sind.[21]

  • 1 Datenschutzgesetz (DSG)

Der Persönlichkeitsschutz wird auch durch den Datenschutz gewährleistet. Jedermann hat Anspruch auf die Geheimhaltung von personenbezogenen Daten, insbesondere auf die Achtung des Privat- und Familienlebens. Es gibt eine Vielzahl an datenschutzrechtlichen Ausnahmen (insb. in Art 6 ff DSGVO), welche allerdings stets für den Einzelfalls zu prüfen sind.

  • 1330 ABGB

Diese Bestimmung schützt die Ehre und den Kredit einer (auch juristischen) Person. Es handelt sich um eine zentrale Bestimmung im Persönlichkeitsschutzrecht.

Die Unterscheidung zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung ist essentiell: Unwahre Tatsachenbehauptungen sind unzulässig, Werturteile müssen sich nur auf einen wahren Tatsachenkern stützen. Wertungsexzesse, also übertriebene Wertungen ohne entsprechendes Tatsachensubstrat, sind nicht geschützt.

  • 43 ABGB

Diese Bestimmung schützt den Namen als Bestandteil der Persönlichkeit. Eine (auch juristische) Person kann sich gegen die Anmaßung einer unberechtigten Verwendung wehren.

  • 77 UrhG – Briefschutz

Briefe und ähnliche vertrauliche Aufzeichnungen (etwa E-Mails), dürfen nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des:r Verfasser:in verletzt werden. Dies ergibt sich auch aus dem verfassungsrechtlich verankerten Briefgeheimnis in Art 10 StGG, der die Vertraulichkeit der Inhalte von Briefen schützt.

Ob ein berechtigtes Interesse vorliegt, ist im Einzelfall anhand von objektiven Kriterien zu prüfen. Im Falle einer Bejahung, ist zu prüfen, ob diesem ein Veröffentlichungsinteresse gegenübersteht. Es bedarf einer Interessensabwägung.

  • 78 UrhG – Bildnisschutz

Diese persönlichkeitsrechtliche Bestimmung schützt das Recht am eigenen Bild. Bilder von Personen dürfen nicht öffentlich zugänglich gemacht werden, wenn dadurch berechtigte Interessen der abgebildeten Person oder unter Umständen von nahen Angehörigen verletzt würden. Dabei ist nicht nur auf das Bild abzustellen, sondern auch auf Begleittexte und den Gesamtzusammenhang.

Postmortaler Persönlichkeitsschutz

Im Straf- und Medienrecht kann nach dem Tod keine Anklage bzw. medienrechtlicher Antrag eingebracht werden. Im Zivilrecht wirken die Persönlichkeitsrechte nach dem Tod jedoch fort (postmortaler Persönlichkeitsschutz):

Im Bildnis- und Briefschutz ist der postmortale Persönlichkeitsschutz ausdrücklich verankert (§§ 77, 78 UrhG). Verletzt das Veröffentlichen von Bildern/Briefen die berechtigten Interessen naher Angehöriger, können diese zivilrechtliche Ansprüche (z.B. Unterlassung, Beseitigung) geltend machen.

Neben dem Briefschutz und Bildnisschutz (§§ 77, 78 UrhG), greift der postmortale Persönlichkeitsschutz auch bei Verletzungen der Ehre oder Privatsphäre. Wird darüber berichtet, wie eine Person stirbt, ist besondere Vorsicht geboten: Eine detaillierte Schilderung, die nur der Neugier der Leser:innen dient, kann eine Verletzung der Ehre und Privatsphäre darstellen. Nahe Angehörige können gegen die Berichterstattung etwa auf Unterlassung und Beseitigung klagen. Besondere Zurückhaltung ist bei Fotoverwendungen von Verstorbenen geboten.

Urheberrecht (UrhG)

Neben dem zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz ist auch stets das Urheberrecht zu berücksichtigen. Zum Schutz der geistigen Interesse des:der Urheber:in gibt es unverzichtbare und unübertragbare Urheberpersönlichkeitsrechte, sowie übertragbare Verwertungsrechte, die Dritten eingeräumt werden können.

  • § 19 bis 21 UrhG – Urheberpersönlichkeitsrechte

Der:die Urheber:in kann die Urheberschaft nicht übertragen und diese im Streitfall für sich beanspruchen (Schutz der Urheberschaft). Er:sie kann entscheiden, ob und mit welcher Urheberbezeichnung das Werk versehen wird (Urheberbezeichnung) und diese darf nicht abgeändert werden (Werkschutz).

  • § 14 bis 18c UrhG – Verwertungsrechte

Bei der Verwendung von eigentümlichen geistigen Schöpfungen (Videos, Fotos, Bilder, Texte etc.) sind die Verwertungsrechte des:der Urheber:in zu beachten: Wird in einem Artikel z.B. ein Foto verwendet, muss vorab ein Recht bzw. Bewilligung für das Werk erworben werden, sofern keine Ausnahmeregelung (§§ 41 ff UrhG) greift.

Die urheberrechtliche Zulässigkeit einer Verwendung sollte vorab stets streng geprüft werden, weil ein Verstoß hohe Kosten verursacht und Urheberrechte auch nicht „gutgläubig“ erworben werden können.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

Von zentraler Bedeutung für die Auslegung und Fortentwicklung der Konventions­garantien – dh der einzelnen in der Konvention geregelten Menschenrechte – ist die Rechtsprechung des EGMR, die der Meinungsäußerungsfreiheit eine herausragende Rolle zuweist.[22] Der EGMR prüft, ob der beanstandete Eingriff in einer „demokratischen Gesellschaft“ notwendig war. Das bedeutet, dass der Eingriff einem „zwingendem sozialen Bedürfnis“ („pressing social need“) und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss. Die Notwendigkeit einer Einschränkung muss insbesondere bei politischen Kontroversen oder Diskussionen über Fragen öffentlichen Interesses und im Zusammenhang mit Einschränkungen der Presse überzeugend dargetan werden.[23] Art und Ausmaß der verhängten Strafe sind bei Beurteilung, ob der Eingriff unverhältnismäßig ist, ebenfalls zu berücksichtigen.[24]

Die praktisch wichtigsten Grundsätze, die bei Eingriffen in die Meinungsfreiheit zu beachten sind:

Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil (Wertungsexzess)

Zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen muss eine sorgfältige Unterscheidung getroffen werden. Das Vorliegen von Tatsachen kann bewiesen werden, während die Wahrheit von Werturteilen einem Beweis nicht zugänglich ist. Ein Werturteil ohne ausreichende Tatsachengrundlage kann jedoch einen Wertungsexzess darstellen und eine diesbezügliche Sanktion somit verhältnismäßig sein.[25]

Nach einer klassisch gewordenen Formulierung des EGMR ist nicht nur die gemäßigte, inhaltlich unschädliche oder angepasste Äußerung ein garantierter Freiheitsgebrauch, sondern auch und gerade die Äußerung von Meinungen, die den Staat oder Bevölkerungsteile beleidigen, schockieren oder beunruhigen. Dies seien „die Anforderungen von Pluralismus, Toleranz und Großzügigkeit, ohne die es eine demokratische Gesellschaft nicht gibt“.[26] Die Meinungsäußerungsfreiheit findet freilich bei diffamierenden Äußerungen ihre Grenzen, die ohne jede Grundlage oder bösgläubig abgegeben werden.[27]

Ist eine Meinungsäußerung hingegen eine Reaktion auf eine Provokation und wird sogar erklärt, wie jemand zu einer Wertung kommt, genießt die Meinungsäußerungs­freiheit einen weiteren Spielraum.[28]

Die österreichischen Straf- und (wenn auch weniger häufig) Zivilgerichte haben in der Vergangenheit dazu geneigt, (pointierte bzw. satirische) politische Kritik im Zusammenhang mit Ereignissen öffentlichen Interesses als herabsetzende Tatsachenbehauptungen und nicht als zulässiges Werturteil zu qualifizieren, weil insbesondere die angewandte „Unklarheitenregel“ dazu geführt hat, dass die äußernde Person stets die (sogar weitestmögliche) ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen müsse.[29] Nach zahlreichen einschlägigen Verurteilungen Österreichs durch den EGMR[30] entschied der OGH[31] nach Nichtigkeitsbeschwerden zur Wahrung des Gesetzes der Generalprokuratur, dass diese Judikatur nicht aufrecht zu erhalten ist, und bei Strafurteilen, entsprechend dem im Strafprozess geltenden Grundsatz „in dubio pro reo“ von der für den:die Angeklagte:n günstigsten Variante auszugehen ist. Der naheliegende, hinreichend deutlich erkennbare Sinngehalt einer Berichterstattung soll daher jede ungünstigere Auslegung zu Lasten des Äußernden ausschließen.

Im Zivilrecht erfolgte keine Abkehr von der Unklarheitenregel. Sie wurde teilweise sogar bestätigt.[32] Immerhin sei sie aber an Art 10 EMRK zu messen, was nach Ansicht des OGH bedeutet, dass eine entfernte (ungünstigere) Deutungsvariante unbeachtlich zu bleiben hat, wenn die Annahme eines bestimmten Tatsachenkerns nahe liegt.[33]

Sonderstellung der Presse, Redaktionsgeheimnis; Quellenschutz

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR nehmen die Presse und die anderen Medien in einem Rechtsstaat eine herausragende Rolle ein. Ihre Aufgabe ist es als „public watchdog[34] Informationen und Meinungen über politische Fragen und andere Angelegenheiten von allgemeinem Interesse zu übermitteln.[35] Aus der Sonderstellung der Presse folgt auch der notwendige Schutz der journalistischen Quellen. Sie sollen nicht abgeschreckt werden, der Presse präzise und zuverlässige Informationen zu liefern, die von ihr an die Öffentlichkeit weitergegeben werden.[36]

Public figures

Der EGMR leitet aus dem demokratiepolitischen Charakter der Meinungsäußerungs-freiheit eine Hierarchie ab, der zufolge einzelne soziale Gruppen jeweils unterschiedlichen Schutz genießen. Vor allem sogenannte „public figures“ müssen auch ein erhöhtes Maß an verletzender Kritik tolerieren. Das gilt vor allem für (Regierungs-)Politiker:innen und Spitzenbeamt:innen, bei denen die Grenzen weitergezogen sind als bei Privatpersonen.[37] Vor allem Politiker:innen setzen sich bewusst der eingehenden Kontrolle all ihrer Worte und Taten aus und müssen daher ein größeres Maß an Toleranz zeigen, insbesondere wenn sie selbst öffentliche Erklärungen abgeben, die geeignet sind, Kritik auf sich zu ziehen.[38]

Pflichten und Verantwortlichkeiten

Die Ausübung der Pressefreiheit bringt aber auch Pflichten und Verantwortlichkeiten mit sich (Art 10 Abs 2 EMRK), deren Umfang von der jeweiligen Situation und den benützten technischen Mitteln abhängt.[39]

Wenn Journalist:innen über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse berichten, sind sie nur dann geschützt, wenn sie gutgläubig handeln und sie richtige und zuverlässige Informationen im Einklang mit der journalistischen Berufsehre verbreiten.[40]

Journalistische Sorgfaltspflicht

Journalist:innen müssen insbesondere bei der Berichterstattung auch die für den Einzelnen geltende Unschuldsvermutung berücksichtigen und dürfen durch die Berichterstattung das Recht auf ein faires Verfahren nach Art 6 EMRK nicht beeinträchtigen.[41]

Wenn die Achtung des Privat- und Familienlebens gem Art 8 EMRK gegen die Meinungsäußerungsfreiheit abzuwägen ist, kann die Verpflichtung entstehen, eine Person vor aufdringlicher Bildberichterstattung über das Privatleben[42] oder vor ehrenbeleidigenden Äußerungen[43] zu schützen.

Verdachtsberichterstattung

Ein Artikel über (vorerst) unbewiesene, gegen eine bestimmte Person gerichtete Verdächtigungen, ist eine sog. Verdachtsberichterstattung. Dieser Art der Berichterstattung ist mittlerweile allgegenwärtig. Schon der Umstand, dass über einen Verdacht berichtet wird, ist geeignet, Betroffene zu schädigen. Der Verdacht ist ein Serum:[44] So oder so stehen Betroffene am Pranger, irgendetwas bleibt immer hängen. Nicht alle Fälle von Verdachtsberichterstattung sind spektakulär und treffen Prominente. Regelmäßig wird beklagt, dass schon im strafprozessualen Vorverfahren geheime Informationen aus dem Ermittlungsakt preisgegeben werden. Es gibt viele verschiedene Akteur:innen, die jeweils ein Interesse an der öffentlichen Preisgabe haben.

Unbestritten gehört es aber zu den Aufgaben der Medien, bereits über Verdachtslagen zu informieren, die für eine demokratische Gesellschaft von Bedeutung sind. Zahlreiche Skandale wären sonst nie aufgeklärt worden. Die Frage lautet also nicht, ob berichtet, sondern wie berichtet werden darf. Hier hat sich eine sehr solide Judikatur entwickelt, die im Einzelfall anzuwenden ist.

Bei jeder Verdachtsberichterstattung ist vorab zu fragen, ob ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit bezüglich der Tat und Identität der Person vorliegt. Darüber hinaus bedarf es einem Mindestbestand an Beweistatsachen (eine anonyme Anzeige reicht idR nicht). Zudem muss zwingend die journalistische Sorgfaltspflicht bei der Eigenrecherche eingehalten werden (Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme, wahrheitsgemäße Berichterstattung etc.). Die betroffene Person darf zudem nicht vorverurteilt werden.

Es liegt aber in der Natur der Sache, dass es bei der Wahrnehmung der Meinungsfreiheit mitunter zu Grenzüberschreitungen kommt. Die Berichterstattung durch die Medien ist für einen demokratischen Rechtstaat aber von so grundlegender Bedeutung, dass auch starke Irritationen aufgewogen werden. So wenig erfreulich die Medienberichterstattung für Betroffene – gerade im Fall einer Verdachtsbericht­erstattung – auch sein mag, so unverzichtbar ist sie für die Gesellschaft als solche.

Gleichzeitig gilt: Schießen die Medien im Einzelfall über das Ziel hinaus, sind die Betroffenen mitnichten schutzlos. Auch wenn es bei einer derart heiklen und konfliktträchtigen Materie wie der Verdachtsberichterstattung wohl niemals einhellige und unumstrittene Lösungen geben wird können, weil jede Wertentscheidung in den Augen der jeweiligen Partei ihrer Interessenposition zu wenig Gewicht verschafft, bleibt festzustellen, dass der gerechte Ausgleich zwischen den im Einzelfall konfligierenden Interessen im Großen und Ganzen gut gelingt[45].

Zitieren aus (Straf-)Akten

Beim Zitieren aus Strafakten ist Vorsicht geboten. Grundsätzlich soll nämlich einer öffentlichen Vorverurteilung, bevor in einem konkreten Verfahren überhaupt Anklage erhoben wurde, vorgebeugt werden. In Strafakten befinden überdies teilweise (höchst)persönliche Angaben der Betroffenen und auch Dritter.

Das Verbot der Veröffentlichung (§ 54 StPO) untersagt es Beschuldigten und deren Verteidiger:innen Informationen, soweit sie personenbezogene Daten anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter enthalten und nicht in öffentlicher Verhandlung vorgekommen sind oder sonst öffentlich bekannt wurden, der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wenn dadurch schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen verletzt würden.

Journalist:innen sind von dieser Norm nicht erfasst. Sie müssen aber bei jeder Veröffentlichung die Grenzen des Mediengesetzes bzw. des allgemeinen Persönlichkeitsschutzes (insb Geheimhaltungsinteressen) beachten. Es bedarf somit immer einer Abwägungsentscheidung. Liegt ein besonderes öffentliches Interesse vor, können daher Veröffentlichungen aus Akten zulässig sein. Die Veröffentlichung von Informationen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich ist aber in der Regel rechtswidrig. Private Daten sind unkenntlich zu machen.

Die Einführung einer strafrechtlichen Norm, die das Veröffentlichen aus Akten sanktioniert, wie in Deutschland durch (den womöglich verfassungswidrigen) § 353d Nr 3 dStGB, würde einen chilling effect, also eine abschreckende Wirkung für die Berichterstattung bewirken.[46]

Chat- und SMS-Nachrichten

Bei der Frage, ob Chat- und SMS-Nachrichten von Politiker:innen veröffentlicht werden dürfen, ist zu prüfen, ob dabei die Privatsphäre verletzt wird: Das schutzwürdige Interesse an der Vertraulichkeit der Kommunikation muss gegen ein allfälliges Interesse der Öffentlichkeit an der Bekanntgabe der kommunizierten Inhalte sorgfältig abgewogen werden.

Im Fall von geheimen Gesetzesabsprachen, den Umgang von Regierungsmitgliedern untereinander und abfälligen Äußerungen über die Justiz überwog nach Ansicht des Presserates,[47] das Interesse der Allgemeinheit an der Information über diese Vorgänge deutlich gegenüber den Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Gesprächspartner:innen, zumal die Chats an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss geliefert worden waren. Die Chats haben auf ihren Inhalt bezogen die Privatsphäre der Betroffenen – wenn überhaupt – lediglich berührt.[48]

Diese Entscheidung steht auch mit der rechtlichen Bewertung nach dem Briefschutz des § 77 Urheberrechtsgesetz im Einklang, was sehr oft der Fall ist, weil es gerade beim Persönlichkeitsschutz große Überschneidungen zwischen Medienethik und Medienrecht gibt.

Die persönlichkeitsrechtliche Spezialbestimmung gilt nicht nur für Briefe und Tagebücher, sondern auch für ähnliche vertrauliche Aufzeichnungen wie SMS und Chatnachrichten. Obwohl die Mitteilenden wohl von Vertraulichkeit ausgegangen sind, greift der Schutz aber nur, wenn es zu einer Verletzung von ihren berechtigten Interessen kommt. Hier erfolgt wieder eine Interessenabwägung zwischen den Vertraulichkeitsinteressen und den Informationsinteressen der Öffentlichkeit. Es liegt zwar im Regelfall ein Eingriff in die Geheimsphäre vor, der aber bei deutlich überwiegenden öffentlichen Interessen hinzunehmen ist, selbst wenn die Veröffentlichung als peinlich empfunden wird oder nachteilige Folgen auslöst.

Medien dürfen daher SMS und Chatnachrichten von Politiker_innen immer dann veröffentlichen, wenn es einen entsprechenden Konnex zu Themen von überwiegendem öffentlichem Interesse gibt.

Ein generelles Verwertungsverbot von Chatnachrichten für Medien würde jedenfalls die in Art 10 EMRK verankerte Pressefreiheit verletzen.[49]

Heimliche Tonaufnahmen

Es ist zwischen der Tonaufnahme und der Veröffentlichung zu unterscheiden: Verboten ist die Tonaufnahme, fremder, nicht öffentlicher, Äußerungen. Nimmt ein:e Gesprächspartner:in das Gespräch auf, ist dieses nicht fremd und die Aufnahme nicht strafbar. Verboten ist aber die Veröffentlichung bzw. die Zugänglichmachung der Tonaufnahme. Geschützt ist also nicht der Inhalt der Äußerung, sondern nur die Tonaufnahme selbst. Die Veröffentlichung des Inhalts, z.B. in Form eines wörtlichen Transkripts ist nicht strafbar.

Die Aufnahme eines Gesprächs und selbst die Veröffentlichung eines Transkripts können jedoch zivilrechtlich rechtswidrig sein. Vorausgesetzt es werden berechtigte Interessen der aufgenommenen Person verletzt und es besteht keine Rechtfertigung durch ein entgegenstehendes öffentliches Interesse.

Zudem können bei Audio­aufnahmen und Tonbändern Sonderbestimmungen nach dem Urheberrecht greifen. Es können auch Verletzungen gegen den Datenschutz vorliegen, weil Tonbandaufnahmen personenbezogene Daten sind. Datenschutz­rechtliche Rechtsfertigungsgründe wären etwa berechtigte Interessen oder die Einwilligung der betroffenen Person.

 

Literatur

Gesamtübersicht

Holoubek/Traimer/Kassai (2014): Grundzüge des Rechts der Massenmedien4

https://www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/medienrecht/

 

Zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen

Berka/Binder/Kneihs (2019): Die Grundrechte2 (S. 654 – 699)

Berka: Medien zwischen Freiheit und Verantwortung, in Aicher/Holoubek (Hrsg) (1998): Das Recht der Medienunternehmen

 

Zum Mediengesetz

Berka/Heindl/Höhne/Koukal (2019): Mediengesetz Praxiskommentar4

Über wichtige Entscheidungen informiert die in Wien erscheinende Zeitschrift „Medien und Recht“ (https://www.medien-recht.com/)

 

Zum Rundfunkrecht

Kogler/Traimer/Truppe (2018): Österreichische Rundfunkgesetze4

Vartian (2002): Privatfernsehrecht

Lust, Telekommunikationsrecht im Überblick2

 

Zum Strafrecht

Höpfel/Ratz (2021), Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2

 

Zum Zivilrecht

Bydlinski/​Perner/​Spitzer (2023): ABGB7

 

Zum Urheberrecht

Ciresa (2022): Praxishandbuch Urheberrecht3

Dr.in Maria Windhager ist seit 2001 Rechtsanwältin in Wien und hat sich u.a. auf Medien- und Persönlichkeitsschutzrecht spezialisiert. Eine Übersicht zu einschlägigen Verfahren findet sich unter https://ra-win.at/erfolge/.

[1] Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal (Hrsg), Mediengesetz: Praxiskommentar4 Präambel Rz 9.

[2] EGMR 08.11.2016, 18030/11, Magyar Helsinki Bizottság; EGMR 26. 11. 1991, 13.585/88, Observer und Guardian Rz 59b EuGRZ 1995, 16; EGMR 27.3.1996, 17.488/90, Goodwin MR 1996, 123.

[3] Die EMRK steht im Rang eines Bundesverfassungsgesetzes und zwar rückwirkend vom Beginn ihrer Zugehörigkeit zur österreichischen Rechtsordnung an (03.09.1958). Art 10 EMRK verbietet die Vorzensur nicht ausdrücklich. Der Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung bleibt aufgrund des Günstigkeitsprinzips unberührt.

[4] Ausführlich dazu Berka in Mediengesetz: Praxiskommentar4 Einleitung: Zur Entwicklung des MedienG Rz 1 ff: Im Hinblick auf den Rundfunk (Fernsehen und Radio) und andere elektronische Medien ist zu beachten, dass die Rechtslage dieser Medien noch zusätzlich durch die Bestimmungen des Rundfunkrechts (ORF-G, AMD-G, PrR-G) ausgestaltet wird.

[5] Medieninhaber des ORF ist der Österreichische Rundfunk (ORF), Stiftung öffentlichen Rechts. Herausgeber ist der Generaldirektor, weil er die Programmrichtlinien festlegt. Medienrechtliche Ansprüche richten sich daher gegen den ORF als Medieninhaber.

[6] Sogar weitergehend als in Art 10 MRK: vgl. zum Redaktionsgeheimnis der EMRK: EGMR 27.03.1996, Goodwin, Z 39-40.

[7] Wird eine Sicherstellung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung durchgeführt oder fortgesetzt, liegt eine Beschlagnahme vor; §§ 109 bis 116 Strafprozessordnung (StPO).

[8] Vgl Presseclub Concordia (2023): Stellungnahme zur Causa Miklautz, Abgerufen unter: https://concordia.at/stellungnahme-zur-causa-miklautz/.

[9] Bsp: Vorwurf einer strafbaren Handlung; Unterstellung, jemand sei ein:e Rassist:in.

[10] Vgl. § 29 MedienG.

[11] Bsp: substanzlose oder obszöne Beschimpfungen.

[12] Bsp: In einem Artikel werden Details über den Gesundheitszustand einer Person veröffentlicht.

[13] OLG Wien 27 Bs 27/86, MR 1986/5, 9: „vordergründig Mitleid […] auslösen, dieses Mitleid aber

leicht und häufig in Spott und Verachtung […] ausarten kann“.

[14] RV MedienG-Novelle 1992, 11.

[15] Die Judikatur orientiert sich an § 69 StGB: ab etwa 10 Personen; siehe zB auch OLG Wien 24 Bs 291/97, MR 1998, 44.

[16] Siehe dazu zB OLG Wien 17 Bs 146/03, MR 2004,93; OGH 15 Os 83/10k, MR 2011, 9.

[17] IA 718/A 25. GP 22.

[18] ErlRV 481 BlgNR XXVII. GP, 19.

[19] Dies erkannte auch der Oberste Gerichtshof (4 Ob 64/10f) in einer Berichterstattung über ein Zivilverfahren, das einen Hinweis auf die Unschuldsvermutung enthielt, der üblicherweise im Zusammenhang mit einem behaupteten strafbaren Verhalten zu lesen sei, „und zwar nicht selten dort, wo der Verfasser das Gegenteil aussagen will“.

[20] OLG Wien 18 Bs 233/11p: Verpönt ist nicht nur die Veröffentlichung des aufgenommenen Bildes und des abgehörten Wortlautes, sondern auch die Veröffentlichung des sinngemäßen Inhalts der Überwachungsergebnisse.

[21] Die Rechtsprechung leitet aus § 16 ABGB zB ein Recht am gesprochenen Wort ab (9 ObA 215/92 = SZ 65/134). In der Literatur wird auch die unfreiwillige Zusendung von anrüchigen „Spam-E-Mails“ als Beeinträchtigung der durch § 16 ABGB geschützten Privatsphäre angesehen.

[22] StRsp seit EGMR 07.12.1976, Handyside, Z 49.

[23] ZB EGMR 27.3.1996, Goodwin, 17.448/90, Z 40, ÖJZ 1996, 795.

[24] EGMR Scharsach & NEWS Verlagsgesellschaft, Z 30 mwN.

[25] ZB EGMR Jerusalem, Z 43 mwN, MR 2001, 89 (mit Anm Ennöckl/Windhager).

[26] OGH 15 Os 6/08h, MR 2008, 180, stRsp seit EGMR, Handyside, Z 49.

[27] ZB EGMR, Castells, Z 46.

[28] EGMR 02.10.1994, Oberschlick/Austria (No. 2): Der EGMR sah die Äußerung „Ich werde Jörg Haider erstens keinen Nazi nennen, sondern zweitens einen Trottel. […]“ von Art 10 EMRK geschützt. Haider hat mit seiner Rede vom 07.10.1990 am Ulrichsberg provoziert und Oberschlick legte auch dar, wie er zu dieser Wertung gekommen war.

[29] EGMR, Unabhängige Initiative Informationsvielfalt, MR 2002, 149 (mit Anmerkungen Ennöckl/Windhager und Zöchbauer); Ennöckl/Windhager, Aktuelle EGRM-Rechtsprechung, MR 2007, 11.

[30] ZB EGMR 07.12.2021, Standard Verlagsgesellschaft MBH/Austria, 39378/15.

[31] OGH 15 Os 6/08h, MR 2008, 180; 11 Os 124/07f, MR 2008, 140 (mit Anm Windhager und Zöchbauer.

[32] ZB OGH 6 Ob 291/06x mHa RIS-Justiz RS 0079648.

[33] OGH 4 Ob 71/06d, ÖBl 2007, 19; RIS-Justiz RS 0121107.

[34] ZB EGMR, Thorgeir Thorgeirsen, Z 67 f.

[35] OGH 15 Os 6/08h, MR 2008, 180.

[36] ZB EGMR 25.02.2003, Roemen & Schmit, 51.772/99, Z 46.

[37] OGH RIS-Justiz RS 0115541.

[38] ZB EGMR Unabhängige Initiative Informationsvielfalt, Z 41, MR 2002, 149 (mit Anm Ennöckl/Windhager und Zöchbauer.

[39] ZB EGMR, Castells, Z 43.

[40] EGMR 30.03.2004, Radio France u.a., 53.984/00, Z 37.

[41] EGMR 22.02.2007, Falter Zeitschriften GmbH, 26.606/04, Z 22 ff, ÖJZ 2007, 663.

[42] EGMR 24.06.2004, von Hannover, 59.320/00, Z 78 ff, MR 2004, 246 (mit Anm Ennöckl/Windhager).

[43] EGMR 15.11.2007, Pfeiffer, 12.556/03, Z 49, MR 2007, 362.

[44] Schlüter, Verdachtsberichterstattung, Verlag C.H. Beck 2011, 24 mHa Gerhardt/Steffen, Kleiner Knigge des Presserechts, 39 und zahlreichen weiteren Verweisen.

[45] Vgl. ebd., S. 78

[46] Siehe auch https://blog.lehofer.at/2023/11/Zitierverbot.html.

[47] Der Presserat überprüft die Einhaltung der im Ehrenkodex für die österreichische Presse festgehaltenen medienethischen Grundsätzen.

[48] Presserat, 11.3.2021, 2021/127; 6.7.2021, 2021/308.

[49] Siehe in diesem Sinne auch: Warzilek, Dürfen Medien Chatprotokolle von Politiker_innen veröffentlichen? (2022), unter: https://www.juridikum.at/fileadmin/user_upload/artikel/2022_1_Warzilek__Duerfen_Medien_Chatnachrichten_von_Politiker_innen_veroeffentlichen.pdf

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