Nicht jeder Rechtsfall schreibt Geschichte – doch manche verdienen es, erneut betrachtet zu werden. Der folgende Fall aus dem Jahr 2017 mag auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen, liefert jedoch Fragen und Antworten, die über den konkreten Anlass hinausreichen.
Der Sachverhalt
Zwischen zwei österreichischen Unternehmen, die im Bereich Bahnbaumaschinen tätig sind, kam es zu einem langjährigen Rechtsstreit. Auslöser war ein Artikel in der Tageszeitung Der Standard aus dem Jahr 2017, in dem von einer angeblichen „Spionageaffäre“ und einem „Lauschangriff“ auf einen Mitbewerber die Rede war. Die Klägerin, ein international tätiger Maschinenhersteller, sah sich durch diese Berichterstattung in ihrem Ruf geschädigt und klagte das konkurrierende Unternehmen – das von einer PR-Agentur vertreten wurde – auf Unterlassung, Widerruf und Schadenersatz.
Der Vorwurf
Konkret ging es um die Frage, ob die Beklagte für die Weitergabe einer sogenannten „Selbstanzeige“ eines Dritten an die Presse verantwortlich gemacht werden kann. In dieser Anzeige wurden der Klägerin unter anderem illegale Telefonüberwachungen und andere strafbare Handlungen vorgeworfen – Vorwürfe, die später von den Behörden nicht bestätigt und teilweise sogar zurückgenommen wurden.
Urteil des Handelsgerichts Wien
Das Handelsgericht Wien entschied, dass die Beklagte nicht für die Veröffentlichung in der Tageszeitung haftbar gemacht werden kann. Zwar sei die PR-Agentur, die für die Beklagte tätig war, in einem Parallelverfahren zur Unterlassung und zum Widerruf verurteilt worden. Doch das Gericht stellte fest, dass die Beklagte selbst keine Weisung zur Weitergabe der Informationen an die Medien erteilt hatte. Vielmehr sei die Weitergabe weisungswidrig erfolgt.
Die Klage auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung wurde daher abgewiesen, ebenso der Schadenersatzanspruch. Einzig das Eventualbegehren auf Widerruf wurde zunächst zugesprochen.
Berufung und höchstgerichtliche Bestätigung
Das Oberlandesgericht Wien hob das Urteil in Bezug auf den Widerruf auf und wies die Klage insgesamt ab. Es sah keine ausreichende Grundlage für eine Zurechnung der Äußerungen der PR-Agentur an die Beklagte. Auch eine sogenannte „mittelbare Störerhaftung“ wurde verneint, da die Beklagte nachweislich versucht hatte, eine Veröffentlichung zu verhindern.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung (6 Ob 186/22d). Er stellte klar, dass eine Haftung nur dann in Betracht kommt, wenn die Beklagte die Veröffentlichung veranlasst oder bewusst gefördert hätte – was hier nicht der Fall war.
Bedeutung der Entscheidung
Der Fall zeigt exemplarisch, wie sorgfältig Gerichte zwischen direkter und indirekter Verantwortung unterscheiden – insbesondere im Spannungsfeld zwischen Persönlichkeitsrecht und unternehmerischer Kommunikation. Auch wenn PR-Agenturen im Namen eines Unternehmens handeln, bedeutet das nicht automatisch, dass das Unternehmen für jede Handlung haftet.
Für Unternehmen hat das Urteil eine klare Signalwirkung: Sorgfältige Dokumentation und klare Weisungen an externe Dienstleister sind entscheidend.