Wenn Plattformen schweigen: Wie X Ermittlungen behindert und was das für die Rechtsstaatlichkeit bedeutet
Die digitale Sphäre ist längst nicht mehr bloß ein Ort des Austauschs, sondern ein Tatort. Beleidigungen, Bedrohungen und verhetzende Inhalte verbreiten sich über soziale Netzwerke, oft geschützt durch die Anonymität der Nutzer. Doch was passiert, wenn Plattformbetreiber sich weigern, bei der Aufklärung mitzuwirken?
Ein Fall, der über Österreich hinausweist
Was das Nachrichtenportal t-online für Deutschland recherchierte, zeigt sich auch in Österreich: Das soziale Netzwerk X (vormals Twitter) verweigert zunehmend die Herausgabe von Nutzerdaten, selbst wenn Gerichte dies anordnen. In Deutschland prüft die Staatsanwaltschaft Göttingen bereits, ob sich Verantwortliche von X deswegen der Strafvereitelung schuldig gemacht haben könnten.
In Österreich ist der Fall des ORF-Journalisten Armin Wolf exemplarisch. Unter dem Pseudonym „Edwin Raithoffer“ wurden er und viele andere auf X laufend schwer beleidigt und herabgewürdigt. Trotz mehrfacher Meldungen blieben diese eindeutig rechtswidrigen Beiträge online, eine Löschung erfolgte nur teilweise.
Der Versuch der Rechtsdurchsetzung
Im Oktober 2024 stellte die rechtsfreundliche Vertretung von Armin Wolf, die Kanzlei Längle Fussenegger Singer Rechtsanwälte Partnerschaft, beim Landesgericht für Strafsachen Wien einen Antrag nach § 71 Abs 1 StPO. Ziel war die Offenlegung der Stamm- und Zugangsdaten des Nutzers „Edwin Raithoffer“.
Das Gericht entsprach dem Antrag und ordnete gegenüber dem Diensteanbieter Twitter International Unlimited Company die Herausgabe der relevanten Daten an. Die Antwort des Unternehmens fiel jedoch ausweichend aus: Man verwies auf die Notwendigkeit eines Rechtshilfeverfahrens über irische oder US-amerikanische Gerichte unter Berufung auf interne Richtlinien.
Das daraufhin gestellte Rechtshilfeersuchen an die Republik Irland wurde vom dortigen Justizministerium abgelehnt, mit der Begründung, die angeforderten Daten befänden sich nicht innerhalb der irischen Gerichtsbarkeit. Ein zweites Ersuchen wurde ebenfalls negativ beschieden.
Auch ein anschließendes Rechtshilfeersuchen an die Vereinigten Staaten blieb erfolglos. Das US-Justizministerium lehnte die Bearbeitung mit Verweis auf begrenzte Ressourcen ab. Priorität hätten Fälle von Terrorismus, Gewaltverbrechen, sexueller Ausbeutung von Kindern, organisierter Kriminalität, Drogenhandel, Korruption oder erheblichem finanziellem Schaden. Der vorliegende Fall erfülle diese Kriterien nicht.
Dass solche Ersuchen regelmäßig ins Leere laufen, dürfte dem Unternehmen bekannt sein. Es stellt sich daher die Frage: Warum verweigert X die Kooperation mit nationalen Strafverfolgungsbehörden?
Meinungsfreiheit oder Schutz der Täter?
Unter Elon Musk verfolgt X eine Politik, die hasserfüllte Inhalte nicht löscht, sondern lediglich algorithmisch herabstuft. Musk beruft sich auf die uneingeschränkte Meinungsfreiheit, ein Prinzip, das zur Deckung strafbarer Inhalte führen kann.
Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien
Armin Wolf möchte sich all das nicht gefallen lassen. Wir haben für ihn eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht. Der dringende Tatverdacht: Derzeit unbekannte Mitarbeiter von X könnten durch ihr Verhalten die Strafverfolgung bewusst behindert haben, ein möglicher Fall von Begünstigung nach § 299 StGB.
Die Sachverhaltsdarstellung richtet sich gegen unbekannte Täter. Derzeit lässt sich nicht eindeutig feststellen, welche konkreten Handlungen von welchen Personen gesetzt wurden. Auch eine Verantwortlichkeit des Unternehmens selbst nach dem Verbandsverantwortlichkeitsges
Ob die Staatsanwaltschaft Wien Ermittlungen einleitet, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch: Wenn Plattformen sich der Rechtsdurchsetzung entziehen, steht mehr auf dem Spiel als ein einzelner Fall. Es geht um die Frage, ob der Rechtsstaat auch im digitalen Raum gilt, oder ob globale Konzerne sich ihm entziehen können.
Wir halten Sie über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden.
Links
- https://www.arminwolf.at/2025/10/27/aktenzeichen-x/
- https://www.derstandard.at/story/3000000293727/armin-wolf-zeigt-x-bei-staatsanwaltschaft-wegen-beguenstigung-von-hassposter-an
- https://www.tonline.de/nachrichten/panorama/kriminalitaet/id_100887788/strafvereitelung-bei-x-goettingen-ermittelt-gegen-elon-musks-manager.html
- https://x.com/elonmusk/status/1593673339826212864?lang=de
- https://lf-law.at/
- https://www.kleinezeitung.at/kulturmedien/20246287/armin-wolf-zeigt-plattform-x-bei-staatsanwaltschaft-an
- https://www.falter.at/zeitung/20251028/armin-wolf-zeigt-x-an
- https://www.diepresse.com/20247063/armin-wolf-zeigt-plattform-x-bei-staatsanwaltschaft-an