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Datenschutzbeschwerde der MJÖ

„Islam-Landkarte“ verletzt das Grundrecht auf Datenschutz der Muslimischen Jugend Österreich und ihrer Vertreter:innen

Auch das Recht auf Information wurde verletzt

Das umstrittene Projekt der sogenannten „Islam-Landkarte“ von Univ.-Prof. Ednan Aslan erlangte 2021 durch eine Kooperation mit der neu geschaffenen Dokumentationsstelle Politischer Islam große Aufmerksamkeit. Die bereits unter Schwarz/Blau geplante und von Susanne Raab ins Leben gerufene Dokumentationsstelle beschäftigt sich laut eigenen Angaben mit „der wissenschaftlichen Erforschung des religiös motivierten politischen Extremismus mit Schwerpunkt auf das Phänomen des Politischen Islams, assoziierter Netzwerke und Strukturen“.

Als eines ihrer ersten öffentlich bekannten Initiativen förderte die Dokumentationsstelle das von Univ.-Prof. Aslan geführte Forschungsprojekt an der Universität Wien, die sogenannte „Islam-Landkarte“. Es folgte vehemente Kritik an einer derartigen „Watchlist“ muslimischer Institutionen unter dem Deckmantel des „politischen Islams“. Der Sonderbeauftragte des Europarats für antisemitische, muslimfeindliche und andere Formen von antireligiöser Intoleranz und Hassverbrechen qualifizierte die Veröffentlichung beispielsweise als kontraproduktiv und forderte die Zurückziehung des Projekts. Muslim:innen fühlten sich stigmatisiert und durch die Veröffentlichung von Adressen und anderer Details in der Sicherheit bedroht.

Die Veröffentlichungen auf der Website hatten auch tatsächlich konkrete negative Auswirkungen auf muslimisches Leben, als Rechtsextremisten vor den auf der Website genannten muslimischen Einrichtungen Warnschilder mit dem Hinweis auf deren Nennung in der „Islam-Landkarte“ aufstellten.

Die MJÖ wehrte sich gegen die Verwendung ihrer Daten im Rahmen der „Islam-Landkarte“ und der dadurch hergestellten Nähe zum „politischen Islam“. Ein Vorwurf, der auf der Website „Islam-Landkarte“ gezielt in den Raum gestellt und über mehrere Seiten besprochen wird.

Ein wesentlicher Teil der Arbeit der MJÖ ist demgegenüber der Austausch mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen und der interreligiöse Dialog.

Ohne die Zustimmung der betroffenen Organisationen und ihrer organschaftlichen Vertreter:innen einzuholen, wurden Informationen wie die Anschriften der einzelnen Landesorganisationen der MJÖ und die ZVR-Zahlen im Rahmen der „Islam-Landkarte“ veröffentlicht.

Beschwerde an die Datenschutzbehörde

Dagegen erhob die MJÖ und einige ihrer organschaftlichen Vertreter:innen des Dachvereins sowie einiger Landesorganisationen Beschwerde an die Datenschutzbehörde wegen der Veröffentlichung ihrer personenbezogenen Daten. Die Behörde sah die Veröffentlichung jedoch im Lichte der Wissenschafts- und Meinungsäußerungsfreiheit gerechtfertigt und wies die Beschwerde ab.

Beschwerde an das BVwG

Gegen den abweisenden Bescheid erhoben die MJÖ und die organschaftliche Vertreter:innen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Knapp zwei Jahre später, am 11. April 2024, fand endlich eine mündliche Verhandlung am BVwG statt.

Neben der MJÖ und einigen ihrer Vertreter:innen nahmen auch die Universität Wien, Univ.-Prof. Aslan und die Dokumentationsstelle Politischer Islam an der Verhandlung teil.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde von Seiten der MJÖ ausführlich dargelegt, dass die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, wie insbesondere der Anschrift und der ZVR-Nummer, weder aus wissenschaftlicher Sicht erforderlich noch im Sinne des Grundsatzes der Datensparsamkeit zulässig ist.

Außerdem wurde die persönliche Betroffenheit der im Vereinsregister namentlich genannten Vertreter:innen der MJÖ bzw. einzelner Landesorganisationen und die mit der Veröffentlichung einhergehenden Sorgen unter Beweis gestellt.

Gleichzeitig wurde von den Vertreter:innen der MJÖ auch mehrfach betont, dass sie sich jederzeit an einer wissenschaftlich geführten Diskussion über muslimisches Leben in Österreich, in der mit und nicht nur über sie gesprochen wird, beteiligen, weil die MJÖ eine lebhafte Debatte über den Islam und muslimisches Leben in Österreich begrüßt. Sie verwehrt sich jedoch im Kontext des „politischen Islam“ mit Anschrift und ZVR-Zahl auf der Islam-Landkarte diffamiert zu werden.

Die Universität Wien, Univ.-Prof. Aslan und die Dokumentationsstelle Politischer Islam machten erneut geltend, dass das Projekt in der jetzigen Form durch die Wissenschafts- und Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt sei. Ohne Erfolg!

Erfolg vor dem BVwG

Das BVwG folgte in weiten Teilen der Argumentation der MJÖ und gab der Beschwerde Großteils statt.

Auch für das BVwG ist nicht ersichtlich, worin der Mehrwert der Veröffentlichung von Adressen und ZVR-Nummern für eine öffentliche Diskussion und wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit muslimischen Organisationen und Einrichtungen besteht.

Es stellte daher eine Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz sowohl der MJÖ als Dachorganisation und ihrer Landesorganisationen als auch ihrer organschaftlichen Vertreter:innen durch die Veröffentlichung dieser Informationen fest.

Zudem wurde das Recht auf Information durch die verspätete Veröffentlichung der Datenschutzerklärung in Bezug auf die Vertreter:innen der MJÖ verletzt.

Mit dieser Entscheidung kommt das BVwG zum Ergebnis, dass die „Islam-Landkarte“, als interaktive Watchlist, auf der Anschrift und ZVR-Zahl zahlreicher muslimischer Institutionen veröffentlicht und in die Nähe des politischen Islams gerückt werden, nicht zulässig ist.

Bemerkenswert an der Entscheidung ist, dass laut Ansicht des BVwG keine datenschutzrechtliche Verantwortung von Univ.-Prof Aslan und der Dokumentationsstelle Politischer Islam für das von ihnen geleitete bzw. mitfinanzierte Projekt besteht. Lediglich die Universität Wien wird für die Datenschutzverletzungen in die Pflicht genommen.

Gerade im Hinblick auf die führende Rolle von Univ.-Prof. Aslan und der fehlenden Anordnungsbefugnis der Universität Wien für dieses „Forschungsprojekt“ ist es durchaus umstritten, dass das Gericht von der einschlägigen Rechtsprechung auf europäischer Ebene abweicht und den Universitätsprofessor aus der datenschutzrechtlichen Verantwortung entlässt.

Das Erkenntnis des BVwG ist bereits rechtskräftig und kann nur mehr mit außerordentlichen Rechtsmitteln bekämpft werden. Daher ist nun die Universität Wien als datenschutzrechtliche Verantwortliche am Zug, um einen dem Grundrecht auf Datenschutz entsprechenden Zustand herzustellen und Univ.-Prof. Aslan entsprechend anzuweisen: Die Anschriften und ZVR-Zahlen der MJÖ und ihrer Landesgruppen müssen aus der „Islam-Landkarte“ entfernt werden.

Wie geht es weiter

Sowohl die Datenschutzbehörde als auch die Universität Wien haben zum einen Revision an den Verwaltungsgerichtshof sowie zum anderen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen die Entscheidung des BVwG erhoben. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Höchstgerichte das Erkenntnis inhaltlich bestätigen oder ob es zu einem zweiten Rechtsgang kommt.

Zudem wird die MJÖ aufgrund der jahrelangen Verletzung ihres Grundrechts auf Datenschutz und die dadurch entstandenen Schäden – wie insbesondere auch die Kosten für die rechtliche Vertretung – Schadenersatz gerichtlich geltend machen. Die Universität Wien hat trotz der vehementen Kritik am Projekt von Univ.-Prof. Aslan festgehalten und die berechtigten Interessen der MJÖ ignoriert und muss für die dadurch verursachten Schäden aufkommen.

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